"Mädchenbande" spielt in der Pariser Banlieue. Doch trotz seines Realismus ist dies kein Sozialdrama, vielmehr ein intensiver, kunstvoll inszenierter Film über Individualität - ein kraftvolles, ungeschöntes Bild vom Heranwachsen unter verschärften Bedingungen. Es geht um vier starke, schwarze Girls. Sie haben nichts, also nehmen sie sich alles: Style, Stolz, Freiheit.
Marieme lebt mit ihrer Familie in der Pariser Banlieue. Die Mutter sorgt fürs Einkommen, der große Bruder kommandiert alle herum, Marieme versorgt die jüngeren Schwestern. Außerfamiliär ist es nicht besser. In der Nachbarschaft geben Jungs den Ton an, und die Schule ist eine Sackgasse. Doch dann gerät Marieme ins Blickfeld einer coolen dreiköpfigen Mädchengang, die sich Freiheiten nimmt, von denen Marieme bislang nur träumte. Dort wird sie aufgenommen und heißt fortan Vic (wie Victory).
Von jetzt an macht das Leben Spaß: Vic schwänzt den Unterricht, verändert ihr Äußeres und liefert sich mit ihren neuen Freundinnen Scharmützel mit rivalisierenden Banden. Das neue Leben soll ihr Weg in die Unabhängigkeit sein.
¿Was in anderen Filmen zum Sozialdrama oder zur moralischen Lektion gerinnen würde, nutzt Céline Sciamma in ihrem nach `Water Lilies¿ und `Tomboy¿ dritten Spielfilm zu einem ästhetischen und antikonventionellen Statement. Indem die Bedeutung der Form schon über das Handwerk unterstrichen wird, durch ausufernde Kamerabewegungen und forcierten Musikeinsatz, indem Musik und Klamotten aber auch für die Figuren die Welt bedeuten, erklärt Sciamma, dass Selbstfindung zwar mit Stilbewusstsein zu tun hat, aber das Gegenteil von Anpassung ist, und dass der Wunsch der Umwelt, man solle `erwachsen¿ und `reif¿ werden, oft nur eine Maske der Repression ist. (¿) Der Filmtitel ist eine Anspielung auf Jean-Luc Godards `Die Außenseiterbande¿. Wie dieser ist `Bande de filles¿ ein Film, der vorführt, nicht erklärt, warum Freiheit womöglich mehr mit Ästhetik zu tun hat als mit Moral, mehr mit Pop als mit `political correctness¿, mit Musik und Mut, aber nichts mit Quoten.¿ (Rüdiger Suchsland, in: Filmdienst)
¿Es geht (¿) also immer wieder um Bewegungen ¿ räumliche, vor allem aber auch soziale. Und wie Sciamma die eine Bewegung in der anderen auffängt, nicht nur erzählerisch, sondern gerade in Bildern, verdient Bewunderung. Die Regisseurin feiert ihre Protagonistinnen und deren Freiheitsdrang, den eine ungestüme Suchbewegung strukturiert. Aber eben nicht: raus aus der Banlieue. Vielmehr suchen die jungen Mädchen einen Ausweg aus den Zuschreibungen und Erwartungshaltungen, mit denen sie in diesen prekären Verhältnissen zwangsläufig konfrontiert werden, einen anderen Weg als den einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung des Scheiterns.¿ (Andreas Busche, auf: ZEIT Online)
"Die genau komponierten Kameraeinstellungen, präzise gewählten Farben und Musiken lassen die Mädchen bei dem, was sie tun, stark und schön aussehen. Zentraler Moment des Films ist ein Abend in einem Hotelzimmer, das die Gang sich von geklautem Geld gönnt, um sich in ebenfalls geklauten Kleidern zu stylen und ausgelassen und glücklich zu Musik von Rihanna zu tanzen. Ein gedanklich anregender, wie auch atmosphärisch und ästhetisch starker Film." (Kino Film Welt)